Neversaid

Presse

FREIES WORT @TTENTION, 15. Dezember 2006

Lachen mit „Neversaid“ über die Neurosen

Das Maskottchen der Ilmenauer Band „Neversaid“ ist eine Art seltsam dreinblickender, gelber Gnom mit leicht spiralförmigen Gliedmaßen. Die Gestalt hört auf den schrägen Namen „Schanzkapaun“, angeblich eine Wortschöpfung Helge Schneiders auf einem seiner Konzerte. Ein Kapaun ist übrigens ein kastrierter und gemästeter Hahn.

Schon allein dieses schräge Maskottchen zeigt, dass die vier Ilmenauer Herren von „Neversaid“ keine der üblichen Bands von der Stange am Leben halten.

Nach immerhin neun Jahren Bandgeschichte haben sie nun ihr erstes richtiges Album eingespielt. Das Gemälde „Ladypipeline“ auf dem Cover und kunstvoll gestaltete Booklet weisen den Weg in verschlungenes Abenteuer voller psychedelischer Vertracktheiten.

„Stressruhe“ heißt das Werk und enthält zwölf Songs, an denen die Band immerhin rund ein Jahr gefeilt hat. Nicht, dass ihnen für schnelleres Arbeiten die Kreativität fehlen würde. „Wir haben eher ein Zeitproblem“, erzählt Gitarrist und Sänger Timo Thamm. Die vier Musiker haben alle neben der Band noch genug zu tun, Gitarrist Carsten Land etwa reist als Gruppenleiter eines Ilmenauer Forschungsinstitutes durch die Welt, Schlagzeuger Oliver Warweg ist als Vater von drei Kindern daheim gut eingespannt.

Doch die neuen Lieder klingen nicht unbedingt nach heiterem Familienleben: Auf „Stressruhe“ kehren „Neversaid“ eher ihre dunklen oder makabren Seiten heraus, auch wenn Thamm betont, dass die Scheibe für ihn keineswegs „düster“ ausgefallen sei: „Manche der Songs gehen für uns schon fast in Richtung Schlagerrockpop.“ Immerhin: Die Zeit des geradlinigen Grungerocks von früheren Zeiten hat die Band tatsächlich hinter sich gelassen, Pathos findet nicht statt. Stattdessen ist abgeklärte Verschrobenheit angesagt.

Auf deftige Gitarrenbretter folgen ironische kleine Einsprengsel, das Schlagzeug wechselt so verrückt das Tempo, als hätte Drummer Warweg Herzrhythmusstörungen. Eine Reise in die Tiefe der Seele, die über die eigenen Neurosen herzhaft lachen kann – Hauptsache, nicht greifbar, Hauptsache, nicht langweilen. Eine Schublade für diese Art der Rock-Musik muss wohl erst noch erfunden werden.

„Wir lassen uns da doch nichts von außen vorgeben“, sagt Thamm mit deutlich hörbarem Nachdruck, „das ist einfach unsere Musik. Es ist uns völlig Wurst, ob jemand rockig oder was auch immer dazu sagt.“

Weniger egal ist ihm das Gesamtkonzept der Gruppe. Der Gedanke, ein Gesamtkunstwerk zu kreieren, behagt ihnen durchaus: „Wir sind auf dem Weg dahin“, nickt Thamm, „die jetzige CD ist ein Schritt in die Richtung.“ Thamm will etwa sein Talent als Kunstmaler noch stärker in die Gruppe integrieren. Bassist Uwe Appelfeller, der fürs CD-Booklett von „Stressruhe“ eine abstruse Kurzgeschichte beigesteuert hat, soll seine schreiberischen Talente stärker einfügen. Die Musik dagegen ist nach wie vor Sache der kompletten Band. Thamm: „Entweder einer kommt mit einer Idee, oder wir jammen zusammen. So entstehen unsere Lieder.“

FRANK HOMMEL


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